Strom vom Dach – auch für Mieter

In der Dorfstraße 57 in Vaterstetten werden alle Mieter von einer PV-Dachanlage versorgt – gut für den Klimaschutz, aber auch für den Geldbeutel? B304.de hat beim Betreiber der Anlage nachgefragt, der Eigene Erneuerbare Energie Genossenschaft (3EeG), einer Genossenschaft Vaterstettener und Zornedinger Bürger, hier vertreten durch das Vorstandsmitglied Hans-Joachim Purde.

B304.de: Herr Purde, die 3EeG ist eine Bürgergenossenschaft und hier nicht nur Stromerzeuger, sondern auch Stromversorger – wie kam es dazu?

Hans-Joachim Purde: Nun, die 3E wurde 2012 gegründet, um der Notwendigkeit der Energiewende ein praktisches Gesicht am Ort zu geben. In Vaterstetten war das Baugebiet Nordwest in Planung, mit dem festen Vorsatz, den Energiebedarf vorwiegend aus regenerativen Quellen zu decken. Das Gebäude Dorfstraße 57 war dem „sozialen Wohnungsbau“ gewidmet und benötigte für eine Photovoltaik-basierte Stromversorgung einen Realisierer. Hier spielte die Gemeinde Vaterstetten, in Person von Herrn Dr. Kuhn, den Geburtshelfer. Er brachte uns mit dem Bauherrn, der Wasserburger Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft zusammen. Für uns ein Highlight, aber auch eine Herausforderung. Zu diesem Zeitpunkt hatte die 3E zwar bereits Erfahrung mit der Errichtung und dem Betrieb von PV-Anlagen, bei einer Mieterstromanlage kamen weitere komplexe Aufgaben hinzu, bedingt durch gesetzliche Rahmenbedingungen des EEG und besonders durch den Status als Energieversorger.

Wie unterscheidet sich eine Mieterstromanlage von einer privaten PV-Anlage?

Aus technischer Sicht gibt es mit Ausnahme der Anlagengröße kaum Unterschiede. Im Kern besteht jede PV-Anlage aus den PV- Modulen auf dem Dach. Bei dieser Mieterstromanlage handelt es sich insgesamt um 350 PV-Module mit einer Gesamtleistung von ca. 100 kWp. Da Strom nicht nur bei Sonnenschein verbraucht wird, haben wir uns darüber hinaus für einen Stromspeicher mit einer Kapazität von 40,5 kWh entschieden. Damit kann tagsüber Überschussenergie der PV-Module gespeichert werden, um sie in den Abend- und Nachtstunden an die Wohnungen abzugeben. Der Verbund aus vielen Wohneinheiten wirkt sich hier im Vergleich mit privaten PV-Anlagen positiv aus. Mit diesem Konzept können wir in der Dorfstraße im Mittel 70 Prozent des Strombedarfs unserer Kunden mit PV-Strom abdecken, 30 Prozent des Stroms müssen wir zukaufen. Die Dimensionierung des kostenintensiven Speichers war damals mit Unsicherheiten verbunden, weil wir das genaue Stromverbrauchprofil unserer Kunden nicht kannten. Heute wissen wir, dass wir das Optimum ziemlich gut getroffen haben.

Nun zum Kern, wer hat einen Nutzen von einem solchen Mieterstromkonzept?

Ganz offensichtlich profitiert zunächst unser Klima davon. In Summe haben wir bisher ca. 330 Tonnen CO2 durch den Betrieb der PV-Anlage vermieden. Aber die Mieter spüren unsere Anlage auch in ihrem Geldbeutel. Wir können den lokal produzierten Strom näm- lich günstiger anbieten als der übliche Stromversorger und konnten unsere Kunden auch vor einer Strompreisrallye, wie wir sie in den Jahren 2020 bis 2023 gesehen haben, verschonen. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Darüber hinaus profitieren die Mitglieder der Genossenschaft. Das gesamte Projekt ist so kalkuliert, dass auch ein nicht unerheblicher Gewinn den Mitgliedern der 3EeG zugute- kommt. Insgesamt gibt es also viele Gewinner!

Nicht zuletzt tragen wir mit unserem gesamten PV-Anlagenpark zur Versorgungssicherheit der Region bei. Dieser Punkt gewinnt ange- sichts der aktuellen geopolitischen Entwicklung leider fast täglich mehr an Bedeutung. Auch aus diesem Grund sind wir bestrebt, unsere Erzeugungskapazitäten für Strom aus Sonne und Wind in Zukunft kräftig zu erhöhen.

Für welche Objekte eignet sich ein Mieterstromkonzept?

Zunächst mal möchte ich vorwegschicken, dass jeder, der die Mög- lichkeit hat, sich mit PV-Strom zu versorgen, dies auch tun sollte. Egal ob eine PV-Anlage auf dem eigenen Hausdach oder ein Balkonkraftwerk, es rechnet sich und ist einfach umzusetzen.

Beim Mieterstrom haben wir eine etwas komplexere Situation vorliegen. Wenn das gesamte Gebäude einem Besitzer gehört und ein großer Teil der Mieter sich einig sind, dass sie den günstigen PV-Strom abnehmen wollen, liegen sehr gute Voraussetzungen für die Verwirklichung eines Mieterstromprojektes vor. Insbesondere ein Erstbezug ist, wie in der Dorfstraße, ein Vorteil.

Etwas schwieriger ist die Situation bei einem Gebäude mit mehreren Eigentümern. Hier müssen sich alle Parteien einig sein, bevor man über ein Mieterstromprojekt nachdenken kann, da auch die Dachnut- zung durch den Anlagenbetreiber, z.B. die 3EeG, vertraglich geregelt werden muss. Trotzt dieser bürokratischen Hürden, wenn am Ende der Strom vom Dach zu den Haus- bewohnern fließt, schaut man eigentlich nur noch in zufriedene Gesichter.

Herr Purde, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Der Artikel ist in der Mai-Ausgabe der B304.de erschienen.

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