Teilen statt kaufen

Eine Bohrmaschine bohrt in ihrem Leben durchschnittlich rund 13 Minuten – den Rest der Zeit liegt sie im Schrank. Viele Haushalte haben Gegenstände, die meist ungenutzt im Keller oder der Garage herumstehen. Dabei wäre es eigentlich cleverer, sich diese mit den Nachbarn zu teilen. Das spart Platz und ist ökonomisch und ökologisch sinnvoller. Share Economy, ganz analog: Die „Bayernboden“-Siedlung rund um die Verdistraße macht vor wie es geht. Dort haben sich die Immobilieneigentümer und deren Mieter bereits vor über 50 Jahren zu einem Verein zusammengeschlossen und einzelne Geräte angeschafft, die sich die Vereinsmitglieder bei Bedarf ausleihen können: von der Aluminium-Leiter über den Hochdruckreiniger bis zum Vertikutierer. Und Jürgen Harttmann ist der Mann mit dem schweren Bohrhammer.

B304.de: Herr Harttmann, Sie sind seit rund 50 Jahren Mitglied und Aktiver in der Eigentümergemeinschaft Neubaldham (EGN). Welche Aufgaben hat sich die EGN gestellt?

Jürgen Harttmann: Gegründet haben wir den Verein in 1972 hauptsächlich, um als Eigentümer wirksamer dem damaligen Bauträger gegenübertreten zu können, besonders bei der Beseitigung von Mängeln. Es war aber auch klar, dass man viele Dinge um Haus und Garten gemeinsam preisgünstiger und effizienter organisieren und erledigen kann.

Das war in 1972, im Erscheinungsjahr des „Club of Rome“-Berichtes. Hat dieser Sie dazu angeregt, das Geräte-„Sharing“ einzuführen?

Ganz und gar nicht. Als wir die Idee dazu hatten, kannte niemand den „Club of Rome“, man hätte ihn wohl zu dieser Zeit eher für einen italienischen Fußballclub gehalten. Auch die Begriffe Klimawandel und Energiewende gab es noch nicht. Die Geräte wurden ganz einfach Leihgeräte genannt und gratis an die Mitglieder ausgeliehen.
Der Grund für den Aufbau eines solchen Geräteparks war ganz simpel und vom gesunden Menschenverstand geleitet. Es gibt viele Geräte, meist Gartengeräte, die man ein- bis zweimal im Jahr braucht. Da ist es doch reine Verschwendung, wenn sich je- der ein eigenes kauft. Und finanziell waren wir gerade in dieser Zeit nach dem Haus- kauf nicht besonders gut ausgestattet.

Wie kann denn ein solches Projekt für so viele Bürger funktionieren, und das auch noch über so lange Zeit?

Selbst bei damals schon rund 100 Mitgliedern (heute ca. 250) ging das ganz einfach. Der Kauf eines Gerätes wurde in einer Mit- gliederversammlung beschlossen und über die Vereinsbeiträge finanziert. Für jedes Gerät meldete sich ein „Pate“, der das Gerät ehrenamtlich betreute, es bei sich parkte, es pflegte und an Mitglieder auslieh. Das ist auch heute noch so. Anfangs waren es nur drei Geräte, ich glaube, Heckenschere, Vertikutierer und und große Leiter. Später kamen noch größere Geräte hinzu wie Häcksler, Hochdruckreiniger und verschiedene Bohrhämmer. Die meisten Geräte wurden in der langen Zeit natürlich auch erneuert. Ich selbst war von Anfang an Pate. Mir persönlich gefielen als Nebeneffekt besonders die persönlichen Kontakte mit den Ausleihern.

Was können Sie aus Ihren langjährigen Erfahrungen den Lesern heute mit auf den Weg geben?

Wer nicht den Stolz hat, jedes notwendige Gerät selbst zu besitzen, dem empfehle ich das miteinander Teilen von Geräten oder einem Gerätepark. Heute weiß man, dass das eine der wirksamsten Methoden der Res- sourcen-Schonung ist und dabei auch noch finanzielle Vorteile bringt. Das kann schon in kleinen Gruppen in gut-nachbarschaftlichen Beziehungen funktionieren. Es ist natürlich noch wirksamer, wenn größere Eigentümergemeinschaften oder Vereine einen solch umweltfreundlichen Service anbieten.

Herr Harttmann, besten Dank.

Der Artikel ist in der März-Ausgabe der B304.de erschienen.

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